von Beliar, überarbeitet durch Konzeptteam
Die Entstehung der Götter und der Welt Tauvil
Zufrieden kaute Thormarin, ein alter Fischer, der schon vieles gesehen hatte, auf seiner Pfeife herum und schmunzelte leicht, während er über den Tisch hinweg an seinem Lehrling vorbei in die Ferne blickte. In seinen Augen schimmerte ein sehnsüchtiges Funkeln. „Soso, also über die Götter soll ich erzählen?“ fragte er schließlich mit leiser Stimme. Der Lehrling rutschte mit dem Schemel näher an den Tisch heran und nickte rasch, wobei seine Augen vor Neugier und Interesse leuchteten. Noch einmal betrachtete der alte Fischer wie die untergehende Sonne den Horizont in glühendes Gold tauchte, ehe er sich seinem Lehrling zuwandte und sich nachdenklich durch den in Würde ergrauten Bart strich. Wieder sog er an seiner Pfeife und blies eine kleine Rauchwolke in die Luft, dann begann er endlich bedächtig und mit leiser Stimme zu erzählen.
„Weißt du, Michael, damals erging es mir genau wie dir heute. Es war einfach zu mühsam und versprach zuwenig, die Worte der Priester zu verstehen, wenn darüber der Magen leer bleiben sollte. Die Arbeit tat sich ja nicht von selbst.
Zumindest war es so bis zu jenem Abend vor 35 Jahren. Dunkel war es und der Regen war so stark, dass ich kaum zehn Schritt weit sehen konnte. Jedenfalls war ich auf dem Weg zum Gasthof, dem Wilden Eber, wo ich verschnaufen wollte und was trinken.. ach.. das kennst du ja sicher selbst. Auf jeden Fall war just an dem Tag ein großer Schmaus dort, zu dem eine Gruppe Reisende die Gäste dort eingeladen hatte und zu dem ich da doch auch nicht nein sagen konnte. Jedenfalls setzte ich mich zu ihnen, trank mit ihnen einen Humpen und hörte mir ihre Geschichten über die Götter an, die sie zum Besten geben wollten.“
Kurz verstummte Thormarin, während er seinen Lehrjungen mit ruhiger doch ernster Mine anblickte und ermahnte: „Hör nun gut zu, wenn du etwas über die Götter wissen willst, denn die Geschichte werde ich dir wirklich nur einmal erzählen.“ Wieder nickte Michael rasch und verstummte, während er sich vorbeugte und den Kopf in die rechte Hand stützte. Verschmitzt lächelte der alte Fischer und begann wieder zu erzählen.
„Fünf Wanderer waren es also, die da saßen. Das Fleisch, aus dem der Schmaus bestand hatten sie selbst mitgebracht – als lebenden Ochsen. Seltsam, nicht wahr? Jedenfalls fing so ein kleiner Dicker, ein Zwerg natürlich, auch gleich an zu erzählen.
Er glaubte natürlich, dass Isguhram die Welt erschaffen habe, und begann zu beschreiben wie kalt und öde Tauvil gewesen war, ehe Isguhram sie erblickt hatte und in seiner Weisheit natürlich sofort spürte, dass die Welt Wärme brauchte. So entfachte er das Feuer im Inneren der Welt und badete sie in heißen Flammen, um das Land in diesem Feuer zu schmieden. Viele tausend Jahre soll sich Isguhram so voller Hingabe mit der Welt beschäftigt haben, um sie so perfekt zu gestalten, wie es nur ihm möglich gewesen sein sollte. Erst dann, als er wirklich mit der Form zufrieden war, kühlte er das Werk mit seinem Atem und löschte die Flammen, um die Welt im Wasser abzukühlen.
Sodann soll er nach seinen jüngeren Geschwistern, den anderen Göttern, gerufen haben, welche auch sofort seinem Ruf gefolgt seien. Der Zwerg meinte, dass sie wohl um Isguhrams Weisheit wussten und daher bereit waren, seinen Wünschen nachzukommen.
Jedenfalls soll der Zwergengott den anderen Göttern Aufgaben übertragen haben. Die einen erschufen die Natur mit ihren Pflanzen und die anderen die Tiere, während er selbst sich um die Schöpfung der Zwerge gekümmert haben soll. Sogar länger als an Ashkantra selbst soll er an ihnen gearbeitet haben, hatte er sie doch zur besten Schöpfung Ashkantras erkoren.
Später folgten die anderen Götter natürlich diesem Vorbild Isguhrams und erschufen eigene Wesen die ihrem eigenen Beispiel folgen sollten. So wurde die Welt nach und nach mit den Zwergen, den Elfen, den Menschen und schließlich auch den Orks gefüllt.“
Thormarin lehnte sich zurück und schmunzelte etwas als er den verwunderten Blick seines Lehrjungen sah. „Wunder dich nur. Ich habe damals ebenso geschaut. Und selbst den Begleitern dieses Zwergen ging es bei der Geschichte nicht besser. Aber merke weiter auf, denn dies eben war nicht die einzige Geschichte, die mir die Wanderer erzählten. Der zweite der Wanderer, ein Ritter – vielleicht war er sogar ein Paladin – begann dann zu erzählen. Und natürlich war seine Geschichte ganz anders als die des Zwergen, aber trotzdem nicht weniger wunderbar. Irgendwie gefiel mir sogar, was er erzählte.
Vor endlosen Äonen, als es noch kein Leben auf der Welt gab, soll es nur einen einzigen Gott gegeben haben, eine einzige Kraft, die weder gut noch böse war. Sie allein war alles, was es gab, und ihr war nichts anderes bekannt, doch betrübte sie genau dies, so dass sie einst damit begann, Wesen zu erschaffen, um ihre Einsamkeit zu beenden. Da aber diese Kraft alles war, was es gab, so waren auch ihre Geschöpfe ihr ähnlich und halfen ihr nicht dabei, die Tristheit ihrer Existenz zu beenden.“
Thormarin zog kurz an seiner Pfeife und lächelte Michael, der gebannt an seinen Lippen hing, kurz zu.
„Doch dieser Gott gab nicht auf und viele hundert Jahre noch versuchte er weiterhin Leben zu erschaffen, welches Abwechslung bringen sollte. Doch jedes Mal wurden sie doch so wie die vorherigen gewesen waren und er selbst war. Schließlich sah der Gott ein, dass er auf diese Weise nicht erschaffen konnte, wonach er sich sehnte und brütete wohl ein ganzes Jahrtausend über eine Lösung für sein Problem. Irgendwann vor vielen Äonen war er schließlich davon überzeugt, die Lösung gefunden zu haben. Um seine Pläne verwirklichen zu können, musste er das aufgeben, was er war: Er durfte nicht mehr perfekt sein und alles, das Böse wie das Gute, in sich vereinen.
So entschied er sich dazu, sein eines Wesen in viele verschiedene Teile aufzuspalten – viele Götter, von denen ein jeder andere Eigenschaften haben sollte. Einige davon waren böse, andere eher unentschieden, und wieder andere gut in ihrer Gesinnung. Manche dieser neuen Wesen waren habgierig oder machthungrig, ein Teil war auch teilnahmslos, doch der letzte Teil schließlich freundlich und aufrichtig.
Diese neuen Götter nun begannen nun gemeinsam das Werk, eine neue Schöpfung entstehen zu lassen, indem sie die Welt formten und mit Leben in all seinen Formen erfüllten, um den uralten Wunsch, den sie gehabt hatten, als sie noch eins waren, zu erfüllen und künftig gemeinsam über ihre Schöpfung zu wachen.“
Der alte Fischer seufzte schwermütig und räusperte sich kurz, während er an den Abend im Gasthof zurückdachte und für einen Moment noch einmal die Wärme in sich aufsteigen fühlte, die er damals bei den Worten des Paladins gespürt hatte.
Und die anderen? Was erzählten die anderen, Meister?“ Michaels Stimme riss Thormarin aus seinem Tagtraum. „Oh die.. nun ja.. ich habe begonnen und nun werde ich die Geschichte auch zu Ende erzählen“, murmelte der alte Fischer müde. „So höre denn, was mir die Frau, welche die anderen begleitete erzählte. Aber zuvor solltest du wissen, dass sie eine Elfe war und ihre Stimme ebenso wundervoll war wie ihr Aussehen.“ Thormarin seufzte schwermütig, bevor er fortfuhr. „Wunderbar und unglaublich zugleich war auch ihre Erzählung, doch war sie auf ihre Art etwas Besonderes. Höre genau zu und du wirst es vielleicht erkennen.
Als die Welt noch jung und bar jeden Lebens war, herrschten einzig die Elemente über sie und zogen mit ungestümer Macht über sie hinweg. Die Feuer tanzten mit den Stürmen und hinterließen verbrannte Erde, während die Wasser der Meere in wilder Kraft tiefe Furchen durch den Boden zogen und sich stets mehr und mehr davon einverleibten.
Zu jener Zeit war es, als die Sterne voller Kummer hinab zu ihrer Schwester, der Welt, sahen und ob des Leides, das zu ihnen hinaufdrang, bittere Tränen vergossen, die vom Himmel herab schließlich auf die gepeinigte Welt regneten und an den verschiedensten Orten zur Ruhe kamen. Sie fielen auf die weiten Ebenen, die Spitzen des höchsten Berges und den dunkelsten Schatten des tiefsten Tals. Von den Fluten des Meeres wurden sie ebenso aufgenommen wie von den Flammen der Vulkane, um in ihrem Schoß für lange Zeit zu ruhen. Eines Tages aber erwachten die Tränen und begannen Leben zu spenden. Aus der Träne auf der Spitze des Berges, entstand Adalon, der Herr des Lichtes, wohingegen sich aus der Träne im Schatten des Tales Khathos formte, der Herr der Dunkelheit und Meister der Schatten. Aus der Träne im Feuer der Vulkane entstand Isguhram, während aus jenen Tränen, die das Herz Ashkantras berührten, Alianda, die Lebensspenderin, und Niamel, die weise Göttin, entstanden. Doch waren diese Götter nicht die einzigen, denn noch viele weitere entstanden neben ihnen aus den Tränen der Sterne. All diese Götter erhoben sich nun, blickten auf die Welt, die sie geboren hatte und stellten sich gegen die Elemente, die ihre neue Heimat so unerbittlich quälten.
Doch wenn die Elemente nach vielen tausend Jahren auch Ruhe gaben, kann es ob ihrer Natur auch heute noch immer wieder vorkommen, dass sie sich an die alten Zeiten erinnern und als Sturmfluten, mächtige Stürme, Feuersbrünste oder Vulkanausbrüche die Welt verwüsten. Doch gewähren ihnen die Götter dies als Austausch für die sonstige Ruhe gern.
Die Götter aber wandten sich nun anderen Aufgaben zu und halfen der Welt, wieder zu gedeihen, indem sie viele verschiedene Pflanzen und Wesen erschufen, welche die Welt bevölkern sollten.“
Kurz hielt Thormarin nach diesen Worten inne und blickte grübelnd zu seinem Lehrling, ehe er sich entschloss, noch etwas hinzuzusetzen.
„Auch wir entstanden schließlich so, Michael. Du siehst also, dass durch den Willen der Götter wir alle, selbst die Elemente, ein Teil dieser Welt sind und wir unsere Aufgaben haben. Behalte dies im Kopf, wenn du wieder einmal über die Arbeit und das schlechte Wetter murrst. Nichts geschieht ohne den Willen der Götter, und alles hat seinen Sinn.“
Ein leises, ungehaltenes Murmeln ließ sich hören, als der Lehrling den Kopf nun in beide Hände stützte und mürrisch über den Tisch blickte, doch lächelte der alte Fischer besänftigend und zog an seiner Pfeife. „Vielleicht sollte ich auch einfach weitererzählen. Die nächste Geschichte wirst du bestimmt interessant finden. Der vierte der fünf erzählte sie. Ich sah von ihm stets nur die unheimlich funkelnden Augen und ein einziges Mal den Teil einer Rüstung. Ansonsten sah ich nur die dunkle, pechschwarze Robe, in die er sich vollständig gehüllt hatte. Lass mich überlegen, wie er seine Geschichte begann.“ Thormarin klang so merkwürdig dabei, als wäre ihm auch nach all den Jahren nicht wohl dabei, die Geschichte zu erzählen.
„Ich glaube, er war der Ansicht, dass die Götter einfach vom Beginn der Zeit an existierten. In einem Atemzug sollen sie erschaffen und vernichtet haben. Brachte ein Gott das Feuer, löschte es der andere sogleich mit dem Wasser. Brachte ein Gott die Luft, sog ein anderer sie aus Unverständnis sogleich wieder ab. Die Welt blieb leer und trist, da sie durch ihre Uneinigkeit die Welt nicht mit Leben erfüllen konnten.
Nur einer, dessen Blick von Verstand und Weitsicht geprägt war, erkannte ihr Dilemma endlich und trat vor die anderen Götter, um sie anzuleiten, nicht zu vernichten, was ein anderer zuvor erst erschaffen hatte. Mühsam war dies, doch begann die Welt endlich zu gedeihen, während sich Leben in vielerlei Gestalt entwickelte.
Sie hatten eine perfekte Welt ohne jeglichen Makel erschaffen, durch die Khathos, der Herrscher der Götter, jeden Tag voller Freude im Herzen wanderte. Bald aber musste er bemerken, dass Tauvil sich veränderte und sich Jahr um Jahr mehr Missklang ins Lied der Welt schlich. Es dauerte auch nicht lange, herauszufinden, dass die Schuld bei den anderen Göttern zu suchen war, die in ihrer großen Dummheit eigene Schöpfungen erschaffen hatten und immer weitere erschufen, womit sie die Welt zum Schlechten veränderten.
Rasend vor Zorn befahl Khathos daraufhin die anderen Götter zu sich, um sie auf den rechten Weg zurückzubringen. Doch diese, statt Einsicht zu zeigen, stellten sich gegen ihn und versuchten gar, ihn zu vernichten. Wenngleich Khathos diesem ungeheuerlichen Treiben lange widerstehen konnte, musste er am Ende dennoch fliehen, während sie das einstige Paradies immer weiter in eine Welt des Dunkels verwandelten.
Noch immer, selbst bis in die heutige Zeit, ist es daher Khathos Ziel, die Welt vom Dunkel, das die anderen Götter brachten, zu befreien und das alte Paradies wiederherzustellen.“
Thormarin hatte seine Geschichte kaum beendet, als sein Lehrling aufsprang und ihn ansah, als sei er verrückt geworden. „Aber Meister, seid ihr noch bei Sinnen? Der Fürst des Dunkles soll so sein?“ Thormarin nickte knapp, was seinen Lehrling nur noch zu einem weiteren Ausbruch veranlasste. „Wie könnt ihr das sagen, Meister. Wie könnt ihr so etwas Ungeheuerliches behaupten? Das kann nicht sein!“ Besänftigend hob der alte Fischer die Hand und zog an seiner Pfeife: „Beruhige dich, Michael. Es ist ja nicht meine Geschichte. Ich erzähle sie nur. Du kannst mir glauben, dass ich nicht viel anders als du reagiert habe, als ich sie hörte. Du solltest froh sein, dass du nur mir gegenübersitzt und nicht dieser Gestalt in der Robe. Zum Fürchten erschien sie mir, als ich ihm nicht glauben wollte. Ohne diesen Ritter wäre er vermutlich auf mich losgegangen.“
Langsam beruhigte sich Michael wieder und setzte sich wieder auf seinen Schemel, doch schaute er nun wirklich interessiert zu Thormarin: „Und was passierte dann?“ Kurz lächelte Thormarin ehe er antwortete: „Dann… gingen sie nacheinander. Erst der Mann in der Robe, dann der Ritter, danach der Zwerg und schließlich die Elfe. Alle, um die zuvor gegangenen von Dummheiten abzuhalten.“ Thormarin grinste kurz. „Aber was war mit dem Fünften? Erzählte er keine Geschichte?“ entfuhr es Michael, woraufhin sein Lehrmeister kurz aufstand, um etwas von seinem Gürtel zu lösen. „Auch er ging als ich nicht aufmerkte. Er sah wie ein Söldner mit wenig Gold aus. Doch dies hat er mir damals – natürlich etwas voller – zurückgelassen.“ Thormarin legte einen kleinen Geldbeutel mit den Insignien des Gottes der Söldner und Verstoßenen auf den Tisch und schob ihn Michael zu. „Übrigens nannte er sich Harl, als ich ihn fragte.“ Mit diesen Worten schob Thormarin seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich denke ich werde ins Bett gehen. Es ist spät geworden.“ Sein Lehrling, den Beutel in den Händen, sah ihm grübelnd nach.